Selbstbestimmte Aufmerksamkeit

Jahrzehntelang wurde von uns gefordert, multitasking-fähig zu sein oder zu werden. Man galt als beschränkt (oder als typisch männlich), wenn man seine Aufmerksamkeit nur auf ein Ziel hin richten konnte. Seit dem vorletzten Jahrhundert hat sich die Umwelt auch informationstechnologisch radikal verändert, mehr und mehr Reize von außen müssen von uns verarbeitet werden. Das neue Wort, das vor diesem Phänomen warnt, heißt „Reizüberflutung“.

Erst Untersuchungen, die beide Arten – Aufmerksamkeit auf vieles zu richten oder nur auf eines – vergleichbar machen, zeigen uns unerwartete, überraschende Ergebnisse.

So zeigt die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, dass es nie gleichzeitig Dinge oder Prozesse erfassen kann.

Setzen wir uns der Notwendigkeit aus, viele Informationen auf einmal zu verarbeiten, müssen wir unsere Aufmerksamkeit aufteilen. Wir beginnen, zwischen Teilaufmerksamkeiten hin und her zu pendeln und müssen Prioritäten setzen, d.h. eine Auswahl treffen. Der dadurch entstehende Druck erzeugt Stress. Darüber hinaus können wir keinem dieser Bereiche die volle Aufmerksamkeit widmen, wodurch die Qualität unserer Wahrnehmung sich nachweislich verschlechtert.

Eigentlich gab es zu jeder Zeit Menschen, denen dieses Phänomen bekannt war: ein Reichtum an Reizen (Informationen) verbraucht einen entsprechenden Reichtum an Aufmerksamkeit! Für uns selber bleibt nur mehr ein geringer Rest übrig. Daraus entstehen Gefühle wie jene, unzulänglich zu sein, nie zu einem Ende zu kommen, Anforderungen nicht entsprechen zu können, … Das zeitigt tatsächlich gewisse Umstände, nämlich weniger Leistung, mehr Fehler, weniger Kreativität, Kontrollverlust über das eigene Tun, …

Spürbar erleben wir dies in unserem Sozialverhalten. Anzahl und Frequenz von Sozialkontakten haben sich durch SMS oder E-mails, … vervielfacht, die Tiefe des kommunikativen Verhaltens hat sich dabei verflacht. Wir schauen uns viel seltener in die Augen, sagen uns persönlich seltener was uns wirklich bewegt, häufig wird der indirekte, technische Weg bevorzugt.

Ärzte klagen über eine Zunahme bestimmter Krankheitsbilder: depressive Symptome, Schlafstörungen, gestörtes Essverhalten, Konzentrationsschwächen, Stress, seelische Erschöpfung bis zum Burnout.

Als Ausweg hilft uns nur volle Konzentration auf das eine, das man gerade tut! Und das macht uns glücklich und steigert noch dazu unsere Produktivität!

Mittlerweile gibt es auch dazu Untersuchungen und Ergebnisse. Sie zeigen, dass für uns bei aufmerksamer Hinwendung zu einer Sache nur die Gegenwart zählt, das Zeit-Gefühl verschwindet, ein sogenanntes FLOW-Gefühl setzt ein.

Trainieren wir diese Fähigkeit, unseren Geist nur auf ein einziges Ziel hin zu richten, so wie in Kontemplation, Meditation oder Gebet, können wir diesen Reizfesseln des Alltags entkommen. Versenken wir uns gänzlich in die jeweilige Tätigkeit, vergessen wir unsere Probleme, können wir eine Flut von Reizen ignorieren, weil die Gedanken nicht mehr umherwandern.

Wir befinden uns im Fluss, verbinden uns ganz mit der Sache, die wir tun, wir gehen dieser einen Tätigkeit nach, bis wir sie für uns zufriedenstellend zu Ende geführt haben, kommen exakt und schnell zu guten Ergebnissen.

Unser Kopf wird klarer, alles, was unseren Gedankenfluss behindert, ist ruhiggestellt. Das Ausführen so einer glückbringenden Tätigkeit lässt unsere Selbstzweifel schwinden und unsere Fähigkeiten wachsen.

Dies wiederum steigert unsere Freude und unser Selbstwertgefühl. Endlich können wir mit uns zufrieden sein und gewinnen Lebenssicherheit zurück. Langfristig gepflegt, führt so eine Verhaltensweise zu einer Gesundung des ganzen Menschen.

HMD und JB, angeregt durch den Artikel „Multitasking macht dumm“ von Sabine Bobert, veröffentlicht in der Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“ 9/2018

Literatur dazu:

  • Goleman, Daniel: Konzentriert euch! Eine Anleitung zum modernen Leben; München, Berlin 2014, Verlag Piper
  • Miralles, Francesc; Garcia, Hector: Ikigsi. Gesund und glücklich hundert werden; Berlin 2016, Ullstein
  • Cskszentmihalyi, Mihaly: Flow. Das Geheimnis des Glücks bzw. Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz; Klett-Cotta 2015
  • Sasaki, Fumio: Das kann doch weg! Das befreiende Gefühl, mit weniger zu leben; München 2018, Integral
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