- Regionales Geld muss schnell ausgegeben werden, weil es ständig an Wert verliert
- Vorbild ist das „Wunder von Wörgl“ von 1932
- Bundesbank und EU unterstützen regionale Währungen oft
Wenn Christian Gelleri Geld braucht, dann druckt er es sich einfach. Mit scharfem Blick überprüft er die gelben, grünen und lilafarbenen Scheine, die aus seiner Druckerei im Prien in der Region Chiemgau aus der Maschine kommen. „Chiemgauer“ heißen die Banknoten entsprechend. Sie sind die derzeit größte von 46 verschiedenen Regionalwährungen, die es in Deutschland gibt.
700.000 Chiemgauer im Umlauf
Mit dem Chiemgauer lässt sich zwischen Rosenheim und Traunstein in Bayern in rund 600 Geschäften bezahlen. Etwa 3.000 Kunden nutzen die Parallelwährung. Die ist stets an den Euro gekoppelt: Ein Chiemgauer ist so viel wert wie ein Euro.
Das garantieren Gelleri und der von ihm gegründete Verein Chiemgauer e.V. Der Wirtschaftswissenschaftler hat die Regionalwährung im Jahr 2003 als Projekt an der Waldorf-Schule in Prien entwickelt. Aus einem Startkapital von 10.000 Chiemgauern sind mittlerweile rund 700.000 geworden.
Regionalwährungen verlieren schnell an Wert
Die Besonderheit im Vergleich zum allgegenwärtigen Euro: Die Parallelwährung lässt sich nur in der Region nutzen und soll damit der örtlichen Wirtschaft zu Gute kommen. Gelleri will damit lokale Händler und Geschäfte stärken. Dazu ist seine Währung so gestaltet, dass sie ausgegeben werden muss.
Denn der Chiemgauer ist eine umlaufgesicherte Währung. Das bedeutet, dass die Geldscheine nur sechs Monate gültig sind. Danach müssen sie durch eine Klebemarke verlängert werden, die Kosten dafür betragen drei Prozent des Wertes.
Der Chiemgauer verliert auf diese Weise stetig an Wert, was dazu führen soll, dass ihn seine Besitzer schnell ausgeben und so die Wirtschaft ankurbeln. Damit sich trotzdem auch größere Projekte mit der Regionalwährung bezahlen lassen, gibt der Chiemgauer-Verein zinslose Kredite aus.
Mittlerweile liegt die Umlaufgeschwindigkeit des Chiemgauers mehr als drei Mal so hoch wie die des Euro, was seine Wertschöpfung deutlich erhöht. Mit nur 600.000 Chiemgauern wurden 2014 Waren und Dienstleistungen im Wert von 3,1 Millionen Euro bezahlt. Zum Vergleich: 1,7 Billionen Euro, die 2014 in Deutschland im Umlauf waren, reichten „nur“ für eine Wertschöpfung von 2,9 Billionen Euro.
Vorbild: Das „Wunder von Wörgl“
Vorbild für den Chiemgauer und die 45 anderen Regionalwährungen in Deutschland ist das „Wunder von Wörgl“. 1932 wurde der kleine Ort in Tirol schwer von der Weltwirtschaftskrise getroffen, viele Menschen wurden arbeitslos, die Stadtkasse war leer.
Also beschloss Bürgermeister Michael Unterguggenberger die Schaffung eines Notgelds, des „Wörgler Schillings“. Die Gemeinde gab diesen als Gutschein für Arbeitsleistungen aus, es wurde etwa eine neue Brücke im Ort gebaut. Die Bürger konnten mit den Gutscheinen einkaufen.
Der Wert des lokal-Geldes war durch echte Schilling bei der örtlichen Bank durch die Gemeinde gedeckt. Der Umtausch der Gutscheine in normale Schillinge war aber mit einer Gebühr verbunden – und somit unattraktiv.
Das Experiment wurde ein voller Erfolg. Weil der Wörgler Schilling ebenfalls monatlich durch Klebemarken an Wert verlor, gaben die Einwohner des Ortes ihn fleißig aus. Obwohl nur rund 32.000 Schilling gedruckt wurden, erzeugten sie eine Wirtschaftskraft von 2,5 Millionen Schilling in nur anderthalb Jahren. Dadurch sank die Arbeitslosigkeit drastisch, während die Steuereinnahmen stiegen.
Zentralbanken unterstützen Regionalgeld
Das „Wunder von Wörgl“ fand so viel Beachtung, dass viele Gemeinden nachziehen wollten. 1933 schritt deshalb sogar die Österreichische Notenbank ein und verbot das Parallelgeld. Sie fürchtete um die Stabilität der echten Währung.
Solche Bedenken gibt es heute nicht mehr. Im Gegenteil: Die Bundesbank unterstützt Projekte wie den Chiemgauer. Schließlich müssen auch die regionalen Banknoten möglichst fälschungssicher sein. Die Währungshüter aus Frankfurt haben aber stets ein waches Auge darauf, ob die Regionalgelder den Euro negativ beeinflussen.
Davon kann aber bisher keine Rede sein: Mit seinen rund drei Millionen Euro Wertschöpfung in 2014 leistet der Chiemgauer nur einen Bruchteil der fast drei Billionen Euro, die das deutsche Bruttoinlandsprodukt im selben Jahr betrug.
46 regionale Währungen in Deutschland
Er hat aber viele Nachahmer gefunden: Ob der „Carlo“ in der Region Karlsruhe, der „Elbtaler“ rund um Dresden oder der „Kannwas“ in Schleswig-Holstein – Regionalgelder sind auf dem Vormarsch. Sie funktionieren alle nach denselben Prinzipien wie der Chiemgauer: Ein Trägerverein deckt die Regionalwährung durch Euro, das Parallelgeld verliert mit der Zeit an Wert und der Umtausch in Euro ist mit einer Gebühr behaftet, deren Erlöse regionalen Projekten zu Gute kommen.
Das ist größtenteils eine Reaktion auf die Globalisierung und den Euro. Weil der – zumindest so lange es keine Negativzinsen gibt – nicht automatisch an Wert verliert, lohnt es sich, ihn zu horten. Wir alle machen das auf unseren Konten, Sparbüchern, Aktiendepots und Lebensversicherungen. Bekommen die Sparer dafür Zinsen, erhöht sich das Volumen der umlaufenden Euros sogar.
Das zweite Problem ist die Internationalität unseres Geldes. Weil sich damit weltweit so einfach bezahlen lässt, können Großkonzerne globale Lieferketten aufbauen. Produziert wird dort, wo es am günstigsten ist, das Resultat sind geringe Preise in den Läden der großen Ketten – mit denen regionale Produzenten meist nicht mithalten können.
Regionalgelder gibt es überall in der EU
Die Regionalwährungen bieten dem Bauern auf dem Land und dem Bäcker im Dorf einen Vorteil: Mit Chiemgauer oder Elbtaler gekaufte Produkte stammen aus der Nähe, denn die Währung ist außerhalb der Region nichts wert – und der Umtausch in Euro mit einer Gebühr behaftet. Deshalb lohnt es sich für überregional agierende Firmen nicht, diese anzunehmen.
Deutschland ist nicht das einzige Land, das regionale Tauschwährungen einsetzt. Es gibt sie auch in Frankreich, Spanien, Italien, auf Kreta, Österreich und Großbritannien. Die EU fördert sogar einzelne Projekte finanziell oder mit Knowhow.
Für die Zentralbanker haben die regionalen Währungen ebenfalls Vorteile: Erstens sind sie Experimente auf kleiner Ebene mit alternativen Währungsformen, die etwa die EZB so nicht umsetzen könnte. Zweitens fördern sie merklich die regionale Wirtschaft, wovon dann auch wieder die gesamte europäische Wirtschaft profitiert.
Für Deutschland gibt es schon seit Jahrzehnten eine geheime Notfallwährung
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