Pro & Contra Waldorfschule

Ein Zeitungsinterview mit HUMANEUM´s Gründerin zum Thema Waldorfschule.

Basierend auf Studien in der Bundesrepublik Deutschland und den USA ist in der Wirtschaft der Trend ablesbar, dass viele innovative Firmen für Führungs- und Teamaufgaben vermehrt Absolventen der Rudolf-Steiner-Schulen engagieren.

Wie erklären Sie diesen Trend ?

Im herkömmlichem Schulsystem werden heute vorwiegend Eigenschaften geschult, die hauptsächlich das intellektuelle und damit das digitale Denken fördern. Dadurch verkümmern aber Eigenschaften, welche im späteren Berufsleben in allen Bereichen der Wirtschaft zwar gefordert sind, jedoch durch die Einseitigkeit zu wenig zur Entfaltung kommen.

Welche Qualitäten meinen Sie?

Selbst- und Fremdmotivation, Verantwortungsbewusstsein, Kreativität und Eigeninitiative, um nur einige zu nennen. In den Waldorfschulen wird größter Wert darauf gelegt, Lehrstoff und Methodik  danach auszurichten. Und das schon vom ersten Schultag an.

Gerade diese Fähigkeiten werden im Erwachsenenalter von Mitarbeitern und  Führungskräften vorrangig  gefordert. Sie sind für ein produktives Wirtschaftsleben unerlässlich, um den steigenden Anforderungen des Marktes gewachsen zu sein.

Steht das nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass in Waldorfschulen keine Leistungen erbracht werden? Es gibt doch kein Notensystem im herkömmlichem Sinn!

Die numerische Beurteilung eines Schülers sagt doch eigentlich wenig über seine tatsächlichen Fähigkeiten aus, ob er den Stoff ganzheitlich erfasst hat, sein Bestes gegeben hat, oder nur brav auswendig gelernt hat, was in unserem Informationszeitalter jederzeit vielfältig abrufbar ist. Bei der verbalen Beurteilung wird aber genau auf die Möglichkeiten des Schülers eingegangen und damit ein klares Bild  von Stärken, Schwächen und konkreten Massnahmemöglichkeiten vermittelt.

Aber ohne Schularbeiten, Prüfungen usw. kann das doch nicht beurteilt werden!

Die jungen Menschen werden motiviert, aus Eigeninteresse sich dem Lehrstoff zu widmen und selbständige Arbeiten darüber zu gestalten. In der Oberstufe werden den Schülern sehr wohl prüfungsähnliche Situationen durch Tests vermittelt. Sie zeichnen sich jedoch weniger durch Druck, als viel mehr durch Schaffensfreude und Schaffenskraft aus.

Wie soll der Umstieg aus diesem System in unser heutiges Wirtschaftsleben gelingen?

Durch verschiedene Praktika, zB. in Industrie, Computerwesen, Landwirtschaft, aber auch in vielen Handwerkszweigen wird eine gründliche Vorbereitung des späteren Arbeitslebens ermöglicht.

Wie ist das nun mit der Anerkennung des Reifezeugnisses?

In anderen europäischen Staaten ist das Maturazeugnis der Waldorfschulen schon lange anerkannt. Für die Gesellschaft wird immer deutlicher, welche Fähigkeiten die Absolventen der Waldorfschulen  für alle Bereiche des Berufslebens  mitbringen. In Österreich sind wir leider noch nicht so weit. Hier müssen die Absolventen eine externe Matura ablegen, oder die Abschlussklasse in einer öffentlichen Schule wiederholen.

Dabei sind die Abschlussarbeiten der zwölften Klassen, für die sich jeder Schüler selbst ein Thema wählt und das ganze letzte Schuljahr in allen Fächern übergreifend daran arbeitet, durchaus mit einem  Diplomabschluss vergleichbar.

Diese Abschlussarbeiten finden jährlich im Mai/Juni statt und sind öffentlich zugänglich. Es ist beeindruckend, welche Themenvielfalt und welche Qualität die jungen Menschen sowohl in ihren schriftlichen Arbeiten wie auch in den Referaten mit anschließenden Podiumsrunden vorstellen. Es ist für jeden empfehlenswert, bei einer solchen Abschlusswoche dabei zu sein und sich selbst ein Bild zu machen.

Nun sind die Waldorfschulen ja Privatschulen und damit nicht für alle leistbar. Werden damit nicht elitäre Schichten herangezogen ?

Waldorfschulen erhalten nur geringe öffentliche Unterstützung. Sämtliche anfallenden Kosten müssen durch das Schulgeld abgedeckt werden. Das im Vergleich zu anderen Privatschulen äußerst knapp bemessene Schulgeld von ca. € 350.- im Monat ist für den Einzelnen natürlich eine große Summe und es ist nicht jedem möglich, diese Kosten aufzubringen. Dieses Problem ließe sich aber auch nach dem Vorbild einiger europäischer Staaten lösen: Ein öffentlicher Schulplatz kostet dem Steuerzahler je nach Schultype zwischen € 1.000 und 2.000 pro Monat. Mit einem Bildungsscheck in durchschnittlicher Höhe könnte nahezu jede Privatschule finanziert werden. Sie könnten dann Ihre Kinder jener Schule anvertrauen, in der sie aus Ihrer Sicht am besten ausgebildet werden.

Sind die jungen Menschen dann befähigt, die Anforderungen der heutigen Welt- und Wirtschaftssituation zu meistern ?

Deutlich sind in allen Bereichen der Wirtschaft zunehmend Probleme  im zwischenmenschlichem Bereich, in vielen Formen der Kommunikation. Um die damit verbunden Anforderungen an den Menschen auch in der Zukunft zu meistern, bedarf es mündiger, selbständiger und innovativ-kreativ denkender Unternehmer und Mitarbeiter – ein erklärtes Ziel der Waldorfpädagogik.

 

 

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